„Der Holocaust fand nicht nur in Auschwitz statt“, hierzu referierte Roland Vossebrecker in sachlicher und emotional berührender Weise über das Ghetto Litzmannstadt (Łódź, Polen) und insbesondere über das sogenannte ‚Zigeunerlager‘ im Ghetto Litzmannstadt.
Eindrückliche und erschreckende Fotos und Bilder des Ghettos aus den Jahren der Naziherrschaft belegen das grausame, menschenverachtende, systematische Vernichtungssystem und das unbeschreibliche Leiden der Menschen, Bilder von deutschen (Walter Genewein) und jüdischen Fotografen (Henryk Ross und Mendel Grossmann).
Der Vortrag von Roland Vossebrecker gab einen Einblick in die Geschichte des Ghettos und des ‚Zigeunerlagers‘, deren Funktion und die damit verbundenen Phänomene sowie in das unermessliche Leid der Gefangenen.
Das Ghetto Litzmannstadt: Über 200.000 Jüdinnen und Juden kämpften von 1940 -1944 unter extremsten Bedingungen im Ghetto ums Überleben, bis auf wenige verloren alle ihr Leben.
Katastrophale hygienische Zustände, schlechteste Versorgung mit Lebensmitteln, Hunger, Zwangsarbeit prägten den Ghetto-Alltag. Für die Nationalsozialisten waren die Opfer nur „Menschenmaterial und Arbeitspotenzial“. Dieses Sammellager war das am längsten existierende nationalsozialistische Ghetto und das zweitgrößte in Polen. Das größte Gefangenenlager (nach Zahl der Menschen) war das Warschauer Ghetto. Die Stadt Łódź wurde in Litzmannstadt umbenannt nach dem früheren General und NSDAP-Reichstagsabgeordneten Karl Litzmann. Das Ghetto Litzmannstadt diente – wie auch die anderen NS-Ghettos – als Zwischenstation vor der Deportation in die deutschen Mordlager Kulmhof und Auschwitz-Birkenau.
In das sogenannte „Zigeunerlager“ im Ghetto Litzmannstadt – ein von den jüdischen Gefangenen separierter Bereich – wurden 5.007 Rom*nja deportiert, darunter 2.689 Kinder (Nov. 1941). Die Menschen wurden aus dem Burgenland (Österreich) in das Ghetto gebracht. Rassistische Vorurteile und Diskriminierung der ethnischen Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja als „Zigeuner“ hatten eine lange Vorgeschichte. Die ‚Nürnberger Rassengesetze‘ von 1935 stuften auch Sinti*zze und Rom*nja als ‚Artfremde‘ ein.
Im Ghetto Litzmannstadt wurden Jüdinnen*Juden und Rom*nja unterschiedlich behandelt und untergebracht. Das Lager für die Rom*nja wurde vom jüdischen Ghetto abgetrennt. Die Nazis hatten keinen klaren Plan, was mit den Rom*nja geschehen sollte, sie sollten „lediglich weggeschafft werden“ aus ihren angestammten Lebensbereichen, weil man sie als Menschen 2. Klasse, Verbrecher, Nichtsnutze und „artfremd“ ansah. Diesen Menschen erging es im Ghetto noch schlechter als den jüdischen Opfern. Die Lebensbedingungen der Rom*nja waren schier unbeschreiblich, unfassbar, würdelos und erbärmlich. So gab es im für sie abgesperrten Bereich des Lagers weder sanitäre Einrichtungen noch Kochgelegenheiten. Hunderte Menschen starben innerhalb weniger Wochen an Hunger und Typhus. Die Toten wurden in Massengräbern auf dem jüdischen Friedhof vergraben. Da sich der Typhus nicht mehr eindämmen liess und auch Opfer unter den deutschen Tätern forderte, wurden im Januar 1941 die noch Überlebenden etwa 4.400 Menschen zur massenhaften Ermordung ins Vernichtungslager Kulmhof gebracht. Überlebende gab es keine.
Am Ende des Vortrags wurde die Frage aufgeworfen: Was hat das mit uns zu tun? – Dazu und über die Verbindung zu den aktuellen politischen Entwicklungen gab es einen Austausch mit den Gästen des Abends. Auf den Punkt gebracht: Gleichgültigkeit, wegschauen, nicht ernstnehmen, unterschätzen des zunehmenden Rechtsrucks, sich einrichten in seiner „komfortablen Blase“ sind wesentliche Aspekte, die negative Entwicklungen, die eine Gefährdung unserer Demokratie begünstigen. Patentrezepte gibt es nicht, aber jede*r Einzelne kann hinschauen, den Mut haben, bei Unrecht, Diskriminierung etc. Haltung zu zeigen und vor allem im Februar demokratisch wählen zu gehen.
Vossebrecker schloss mit den Worten: „Wenn ich mit meiner Einschätzung Recht habe, dass Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit zu einem hohen Maße das furchtbare Schicksal der Rom*nja im Ghetto Litzmannstadt und anderswo mitbestimmt und mitbewirkt haben, dann geht uns das heute eigentlich viel mehr direkt an, als wenn der Massenmord nur auf einer Entscheidung der obersten Nazi-Führung zurückzuführen gewesen sei. Schließlich haben wir alle ja keine völkermörderischen Pläne. Aber sind wir – und da schließe ich mich selbst ausdrücklich mit ein – sind wir in unserer Wohlstandsbequemlichkeit nicht viel zu oft viel zu gleichgültig: sei es in Bezug auf ertrinkende Flüchtlinge im Mittelmeer, auf die unerträglichen Zustände in griechischen, bosnischen, lybischen Flüchtlingslagern, viel zu gleichgültig bei den Hungerkatastrophen im Sudan, oder auch in Bezug auf heute stattfindende Verfolgung und Diskriminierung der Sinti*zze und Rom*nja in Europa?“


















































































